Ich bin liebend gerne Nostalgiker. Vielleicht weil ich auch die Menschen in Vergangenheit und Gegenwart studiert habe.
Aber im Bereich der Fotografie ist es für mich aktuell besonders interessant.
Der Füller in der Fotografie ist die Kamera.
Aber mit welchem Füller / welcher Kamera schreibe ich und wenn wie?
Oder doch lieber mit einem Smartphone/ Kugelschreiber?
Bei foto-schuhmacher.de lese ich:
„Seit ungefähr einem Jahr testete ich ausgiebig die folgenden Spitzenkameras (nach Erscheinungsdatum, ohne jegliche Wertung, aufgelistet): Canon R5, R6, Sony A1, Canon R3, und Nikon Z9.
Bei allen handelt es sich um absolute Spitzenprodukte – sowohl bei Foto als auch bei Video. Sie katapultieren die Fotografie der Amateure in das Top-Feld der Spitzen-Berufsfotografen, ohne sich jahrelang in spezielle Techniken einarbeiten zu müssen.
Wer in den Foren etwas anderes behauptet und jene Modelle schlechtreden will, hat sie noch nie verwendet. Und wer sie nicht ausgiebig getestet hat, weiß nicht, was ihm mit älteren und schlechteren Kameras entgeht.“
Ich frage mich bei solchen Sätzen, wer will denn so eine Kamera überhaupt und wofür?
Welcher Amateur will ausgerechnet so eine Kamera? Schwer und nur richtig nutzbar mit teuren schweren Objektiven und als Motiv dann eine Möwe am Strand?
Ich kann das nicht nachvollziehen aber wie gerade gelesen gibt es Menschen, die dies wollen.
Und was ist Spitze?
Wenn ich die zitierte Aussage nun in Kontrast zu einer Leica M und ihren Fans setze, die nur manuell fokussieren kann, sehen wir schon Welten, die dazwischen liegen.
Oder ich nehme die Welt der Mittelformat Digitalkameras.
Bei den Fotografen dieser Kameras sieht man beim Lesen seiner Worte wohl nur ein leises Lächeln, denn wenn man auf die „Spitzenleistung“ blickt und fragt, wer hat den größten … ?
Dann sieht das Kleinbild sehr geschrumpft aus…
Oder wir blicken auf die Sensoren und die Bildqualität.
Da gibt es auf fotowissen.eu einen wunderbaren Artikel, der zeigt, daß es keine wesentlichen Unterschiede in der Bildqualität zwischen Fuji APS-C und Kleinbild/Vollformat gibt außer bei der „kleinen Schärfentiefe“: „Wenn Sie mit einer Vollformatkamera und 85 mm Objektiv Portraits fotografieren und 2 Meter von Ihrem Model entfernt stehen, dann können Sie keine Blende F1.2 einsetzen, da nicht mal die Nasenspitze scharf ist, wenn Sie auf das Auge fokussieren (4 cm Schärfentiefe). Wir müssen auf diese Distanz auf eine Blende F2.8 (8,7 cm Schärfentiefe) oder F4 (12,4 cm Schärfentiefe) abblenden, um mindestens von der Nasenspitze bis zum Auge Schärfe zu erhalten.“
Und dann komme ich selbst auch noch, der einfach die klassischen Sucherkameras mit dem Sucher links mag unabhängig vom Sensor, weil für mich in meiner Fotopraxis bei den neueren Kameras die Bildqualität eigentlich immer reicht, aber es mir auf die prächtigen Gehäuse ankommt – so wie ich alte Villen sympathischer finde als glatte Neubauten….
Wahrheit und Wirklichkeit sind je nach Webseite und Blickwinkel sehr bunt, um es einmal diplomatisch auszudrücken.
Aber mein Doppelleben will ich nicht verleugnen.
Und da ist heute Android 12 und das Samsung S20 FE dran statt Iphone und Histamatic.
„Die Schwebebahn in der Filterkunst“ habe ich einen Artikel überschrieben. Dort habe ich ein Foto durch verschiedene Filter künstlerisch verfremdet.
Hier zeige ich zunächst das ursprüngliche Foto vor der Bearbeitung:
Und nun noch einmal:
Was fällt sofort auf?
Genau, das Auto fehlt!
Mit einer bezahlbaren App habe ich innerhalb weniger Sekunden durch bloßes Malen auf dem Foto im Smartphone das Auto „ausradieren“ können und es fällt nicht auf, wenn man es nicht weiss.
Und dann habe ich mit diesem bearbeiteten Foto in einer anderen App die Filter ausprobiert und abgespeichert.
Ein Foto und einige Minuten ergeben eine ganze Serie.
Das ist die andere Welt jenseits der alten Welt.
Alles zusammen ist für mich die neue Welt, weil beides parallel möglich ist. Das Neue ist die Kombination der verschiedenen Möglichkeiten.
Ich mag es einfach mit den Digitalkameras meiner Wahl auf klassische Art Motive zu suchen und diese im Rahmen gestaltet festzuhalten.
Aber ich mag genauso die Leichtigkeit der neuen Möglichkeiten im Smartphone.
Das Smartphone ist ja aus sozialen Gründen mein Werkzeug geworden, weil ich damit überhaupt nicht mehr aus der Masse rausrage und quasi fotografisch unsichtbar bin.
Daher ist die Entscheidung für eine Kamera heute auch die Entscheidung für Beobachtung durch Andere (im Gegensatz zu früher) und daher auch die Selektion von Motiven – weg von sozial spontanen Momenten zu stillen Motiven. Hinzu kommt der performative Akt.
Beim Smartphone ist die Schnelligkeit und Unauffälligkeit die neue Chance.
Und wie man an diesem Beispiel sehen kann auch die neue Art der Bearbeitung.
Man sitzt irgendwo und kann schnell und unkompliziert Fotos bearbeiten und hochladen und zeigen.
Insofern ist mein fotografisches Doppelleben ein sehr schönes Leben.
Ich bin froh, daß meine Gesichtspunkte für Digitalkameras eher von ästhetischen, klassischen und optimalen Gesichtspunkten geprägt sind als von maximalen auf der Suche nach Spitzenleistungen.
Meine „Spitzenleistungen“ sind eher die Schritte auf dem Weg mit meinem fotografischen Wunschpaket und Situationen, die visuell und emotional Freude bereiten.
Statt für mehr Sensor plädiere ich daher eher für mehr Sensibilität.
7 thoughts on “Das schöne fotografische Doppelleben zwischen Hard und Smart”